Warum fällt es Jugendlichen leichter, bei „Juuuport“ über sexuelle Gewalt im Netz zu sprechen, Ayla Emma Askin?
▷ hier reinhörenAktuelle Folge jetzt anhören
Das Interview der Folge 94 als Transkript lesen
[00:00:00.390] - Ayla Emma Askin
Die Anfragen zu Sextortion nehmen sehr krass zu. Als ich angefangen habe bei Juuuport war der Großteil der Anfragen wirklich Cybermobbing und heute sind sehr viele Anfragen wirklich dieses Sextortion. So: "Ja, ich habe intime Bilder verschickt und jetzt werde ich damit erpresst." Da kriegen wir nicht nur eine Anfrage, sondern mehrere.
[00:00:22.240] - Nadia Kailouli
Hi, herzlich willkommen bei einbiszwei, dem Podcast über Sexismus, sexuelle Übergriffe und sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Ich bin Nadia Kailouli und in diesem Podcast geht es um persönliche Geschichten, um akute Missstände und um die Frage, was man tun kann, damit sich was ändert. Hier ist einbiszwei. Schön, dass du uns zuhörst.
[00:00:46.760] - Nadia Kailouli
Wenn Kinder und Jugendliche im Internet gemobbt, mit Nacktbildern erpresst oder in Onlinespielen angemacht werden, scheuen sie oft davor zurück, sich an ihre Eltern oder an Lehrer:innen zu wenden. Viele empfinden einfach Scham oder haben Angst. Für viele klappt es daher weitaus besser unangenehme Erfahrungen mit Gleichaltrigen zu besprechen. Dieses sogenannte Peer-to-Peer-Prinzip, also Gespräch unter Gleichaltrigen, macht sich der Verein Juuuport zunutze. Hier werden Jugendliche beraten, wenn sie sexuelle Gewalt im Internet erleben. Ayla Emma Askin ist seit vier Jahren bei Juuuport und kennt sich bestens damit aus, was Jugendliche im Internet erleben und wie man es hinbekommt, dass sie mit einem darüber reden. Sie ist heute unser Gast. Und ich sage herzlich willkommen bei einbiszwei Ayla Emma Askin. Schön, dass du da bist.
[00:01:32.870] - Ayla Emma Askin
Hi, ich freue mich auch, dass das geklappt hat und vielen Dank für die Einladung.
[00:01:36.940] - Nadia Kailouli
Ja, sehr gerne. Vielen Dank für deine Zeit und wir fangen direkt an. Du bist tätig hauptamtlich bei Juuuport e.V.. Juuuport, was ist das?
[00:01:47.400] - Ayla Emma Askin
Genau, ich bin nicht hauptamtlich dort tätig. Ich bin da nur nebenberuflich tätig. Also ich habe so eine Übungsleiterinnenstelle und Juuuport ist eine Onlineberatung von jungen Menschen für junge Menschen und wir beraten bei allen möglichen Problemen rund ums Internet, also zum Beispiel Cybermobbing, Cybergrooming, Sextortion, aber auch Fragen zum Thema Medienutzung. Genau.
[00:02:12.020] - Nadia Kailouli
Das heißt, wenn Menschen, junge Menschen, ein zum Beispiel, Foto geschickt bekommen, wo jemand unbekleidet drauf ist oder so und das vielleicht gar nicht möchte und nicht weiß, wie man damit umgeht, dann kann man bei euch Hilfe bekommen?
[00:02:25.640] - Ayla Emma Askin
Genau, ja.
[00:02:26.610] - Nadia Kailouli
Vielleicht kannst du uns einen Einblick geben, wer so mit welchen Themen sich bei euch meldet, um von euch Hilfe zu bekommen?
[00:02:33.470] - Ayla Emma Askin
Das ist ganz verschieden und wir wissen natürlich auch nicht, wer die Personen wirklich sind, da bei uns alles komplett anonym und vertraulich ist. Wir erfassen zwar das Alter von den Personen, aber es muss nicht unbedingt stimmen, das Alter. Deswegen kann ich nicht genau sagen, wer die Personen sind, aber es sind wahrscheinlich Personen aus allen Altersgruppen und Personen wahrscheinlich auch aus allen sozialen Schichten und so weiter, also mit allen Herkunftsnationen, also mit Migrationshintergrund oder ohne Migrationshintergrund. Genau, es gibt Ratsuchende, die noch zur Schule gehen. Es gibt Ratsuchende, die sind schon in der Ausbildung. Genau.
[00:03:13.800] - Nadia Kailouli
Und was sind die Themen? Also womit melden die sich bei euch? Was hast du da persönlich schon für Geschichten erfahren?
[00:03:20.460] - Ayla Emma Askin
Ich habe tatsächlich schon viel gelesen. Also als ich angefangen habe, 2020 bei Juuuport, war sehr viel zum Thema Cybermobbing und das hat sich in den letzten Jahren sehr doll gewandelt. Also wir haben jetzt in den letzten Jahren, besonders auch in den letzten Monaten, sehr viele Anfragen zum Thema sexualisierte Gewalt im Netz. Ein sehr häufiges Thema da ist Sextortion, also die Erpressung mit intimen Aufnahmen, aber auch Cybergrooming. Und wir kriegen immer mal wieder Anfragen zum Thema Gaming oder auch so technische Fragen, also zum Beispiel: „Wie kann man eine Person melden?" Und auch so Fragen: „Ich bin zu viel am Handy, was kann ich machen?"
[00:04:01.100] - Nadia Kailouli
Kannst du das ein bisschen detaillierter beschreiben? Was steckt hinter Cybergrooming? Also was sind so die Sachen, wo du sagst, „Oh, da können wir auch wirklich helfen." Also sind es Sachen wie: "Mein Freund hat ein Foto von mir und will es seinen Freunden zeigen?" Oder ist es: "Mein Lehrer hat mir geschrieben, ich soll mal ein Foto schicken."?
[00:04:21.470] - Ayla Emma Askin
Also bei Cybergrooming ist es ja häufig so, dass sich Erwachsene Jugendlichen oder Kindern gegenüber im Internet den Kontakt aufnehmen, um halt später an sexuelle Bilder anzukommen oder aber auch persönliche Treffen zu arrangieren, mit dem Ziel dann, mit den Jugendlichen oder den Kindern zusammen sexuelle Handlungen durchzuführen. Das sind so häufig die Punkte, bei denen sich die Jugendlichen bei uns melden. Also sozusagen so: „Ja, ich habe jetzt Kontakt zu einer Person und die möchte vielleicht Bilder von mir, die möchte mich treffen. Was soll ich machen?" Das ist bei Cybergrooming häufig so der Punkt, warum sich die Jugendlichen melden. Wir haben aber auch die Anfragen: „Ja, ich habe meinem Freund ein Foto geschickt, als wir noch in einer Beziehung waren und jetzt hat er Schluss gemacht oder ich habe Schluss gemacht und jetzt droht er mir, das Bild zu veröffentlichen. Was kann ich tun?" Also es ist wirklich von bis.
[00:05:12.970] - Nadia Kailouli
Und was ist dann eure Antwort? Was kann man denn tun, wenn einem so was passiert?
[00:05:17.270] - Ayla Emma Askin
Wenn wir jetzt von diesem klassischen Cybergrooming ausgehen, dann ist es immer so, dass wir sagen, dass man sich auf keinen Fall treffen soll oder auf keinen Fall darauf eingehen soll, irgendwelche Fotos zu verschicken, dass wir quasi versuchen da präventiv zu agieren, dass es nicht zu noch schlimmeren Dingen kommt. Und häufig raten wir auch zum Beispiel, eigentlich immer, so Screenshots von den Chatverläufen zu erstellen, aber auch gegebenenfalls Anzeige zu erstatten oder sich allgemein juristische Beratung zu holen. Bei so Fällen, wo zum Beispiel der Freund oder die Freundin, also der Ex-Freund oder die Ex-Freundin, Fotos von der Person hatten, dann nach der Trennung droht, sie zu veröffentlichen, da raten wir häufig erst mal, dass die Person das Gespräch mit der anderen Person sucht und sie dazu auffordert, das Bild zu löschen, da jeder das Recht am eigenen Bild hat. Dann, wenn das nicht hilft, Anzeige zu erstatten, gegebenenfalls.
[00:06:14.240] - Nadia Kailouli
Warum finden denn Kinder und Jugendliche dann eher den Weg zu euch, als zum Beispiel zu ihren Eltern?
[00:06:22.710] - Ayla Emma Askin
Das ist häufig bei uns so, dadurch, dass die anderen, also die Ehrenamtlichen, die bei uns die Anfragen beantworten, die sind ja selbst alle zwischen 14 und 25. Das heißt, das sind alles junge Leute beziehungsweise Jugendliche, die in einem ähnlichen Alter wie unsere Ratsuchenden sind. Und außerdem sind wir komplett anonym und bei, gerade so bei Fällen von Cybergooming und Sextortion ist die Scham sehr groß und auch die Angst, dass man irgendwie Schuldzuweisungen zum Beispiel von den Eltern bekommt. Und vielen Jugendlichen fällt es leichter, das zu schreiben an eine anonyme Beratungsplattform, als mit den Eltern zu sprechen.
[00:07:04.340] - Nadia Kailouli
Jetzt war ich gerade so ein bisschen irritiert, weil ich mir dachte: Wie kann denn jemand, der selbst 14 ist, einem anderen 14-Jährigen einen Rat geben?
[00:07:12.610] - Ayla Emma Askin
Bevor die ehrenamtlichen Scouts bei uns anfangen, durchlaufen sie erst mal eine Art Ausbildung. Seit Corona findet diese online statt und da lernen die Jugendlichen ganz viele verschiedene Dinge. Also zum Beispiel, was sind die Grundlagen unserer Beratung, aber auch Grundlagen der psychologischen Gesprächsführung. Und die bekommen Webinare zu den Themen aus unserer Beratung, also zum Beispiel zu Cybermobbing, aber auch zu Cybergrooming. Und wichtig ist ja auch, dass wir keine Beratung anbieten, die wirklich längerfristig ist, sondern wir sind bei Juuuport auch in gewisser Weise eine Erstanlaufstelle. Wir geben sozusagen eine Erstorientierung, was die Person machen kann und je nach Fall ist es auch so, dass zum Beispiel ich als Teamerin aus dem Beratungsteam oder aber die Psychologinnen in unserem Team die Anfrage übernehmen, wenn es zum Beispiel sehr konkrete sexualisierte Gewalt ist, die da beschrieben wird, oder aber wenn die Person psychische Probleme hat. Genau.
[00:08:14.160] - Nadia Kailouli
Jetzt ist das ja alles anonym. Das ist ja auch richtig so. Aber wenn man jetzt an Fälle gerät oder dieser Fall sich an einen wendet bei euch und man, wie du gerade sagtest, da jemanden hat, der wirklich schwere sexualisierte Gewalt erlebt und sozusagen mittendrin ist, wie könnt ihr denn da wirklich auch helfen und dieses Kind oder Jugendlichen davor schützen?
[00:08:36.560] - Ayla Emma Askin
Es ist dann so, dass wir die Anfrage von den Betroffenen immer an die Psychologinnen weitergeben aus dem Team und die schauen sich die Anfrage an und antworten dann. Und häufig ist es dann so, dass wir zum Beispiel an andere Beratungsstellen noch mal verweisen, zum Beispiel das Hilfetelefon gegen Missbrauch oder aber zum Beispiel sagen: „Ja, wenn du in einer akuten Gefährdungssituation bist, dann kannst du auch die Polizei rufen." Was wir nicht machen in solchen Fällen, ist, selbst die Polizei zu rufen. Das hat den Hintergrund, dass wir ja nicht wissen, welche Dynamik das auslösen würde, wenn wir jetzt die Polizei rufen, wenn die Polizei bei dem Kind oder dem Jugendlichen plötzlich vor der Tür steht, weil ganz häufig ist es ja dann so, dass das Kind oder der Jugendliche aus Angst vor den Täter:innen schweigt und dann da häufig eine ganz problematische Dynamik entsteht, was es einfach noch schlimmer macht, als es es eh schon ist. Das heißt, wir versuchen eher so die Betroffenen dann an andere Beratungsstellen zu verweisen und da Hilfe anzubieten und erst mal zu sagen: „Ja, wir haben dich gelesen. Wir sind für dich da. Wir wollen dir helfen."
[00:09:42.230] - Nadia Kailouli
Seid ihr dann in einem längeren Austausch mit den Menschen, die sich bei euch melden? Oder kann ich mir das vorstellen, wie wenn ich jetzt irgendwie, keine Ahnung, so eine Seite aufmache, da geht ein Chatfenster hoch und dann kommt da irgendwann so ein Chatbot und sagt: „Vielen Dank, können wir noch was für dich tun? Ansonsten ist der Chat jetzt hier auch für immer gelöscht", oder wie kann ich mir das hier vorstellen?
[00:10:01.610] - Ayla Emma Askin
Also bei uns kommt kein Chatbot irgendwie hoch beziehungsweise die Antworten, die die Ratsuchen bekommen, sind alle von echten Menschen geschrieben, also von uns aus dem Team oder von den Ehrenamtlichen. Und das ist immer sehr verschieden. Es gibt Ratsuchende, da entsteht eine längere Beratung. Wir haben teilweise Beratungen, die ein, zwei Wochen manchmal auch gehen. Wir haben aber auch Beratungen, da schreibt die Person uns einmal, wir antworten und dann hören wir nie wieder was von der Person. Das ist wirklich total verschieden.
[00:10:36.130] - Nadia Kailouli
Kannst du uns ein bisschen Einblick geben, auf welchen Plattformen es am häufigsten gegenüber Jugendlichen zu sexualisierter Gewalt kommt?
[00:10:45.490] - Ayla Emma Askin
Wir bekommen häufig gar nicht so genau mit, welche Plattformen da jetzt konkret involviert sind. Aber häufig kommt es tatsächlich auf so den typischen Plattformen wie Instagram vor. Einfach aus dem Grund, dass viele Jugendliche da sehr viele persönliche Informationen von sich teilen, zum Beispiel auch welchen Sport sie gerne machen, welche Musik sie gerne hören. Wo es auch manchmal dazu kommt, ist TikTok, gerade wenn junge Leute dort einen Livestream starten, aber auch zum Beispiel so Plattformen, ich weiß nicht, ob Knuddels dir was sagt? Das ist so eine Chatplattform, wo so Leute sich kennenlernen können und da kommt das auch häufig vor. So im Prinzip überall, wo sich Jugendliche aufhalten im Internet, kann es zu solchen Fällen kommen.
[00:11:29.870] - Nadia Kailouli
Wie findet man euch?
[00:11:31.960] - Ayla Emma Askin
Da gibt es verschiedene Wege. Manche Jugendliche finden uns über die Googlesuche, wenn sie zum Beispiel irgendwie "Onlineberatung bei Cybermobbing" zum Beispiel eingeben. Darüber kann man uns finden. Es gibt aber auch Jugendliche, die finden uns über die sozialen Netzwerke. Wir von Juuuport sind zum Beispiel bei Instagram vertreten, also haben da einen Instagram-Account. Und seit einiger Zeit haben wir einen TikTok-Account, was einfach den Hintergrund hat, dass TikTok unheimlich oft genutzt wird bei jungen Leuten. Und wir jetzt aktuell auch sehr aktiv auf TikTok sind und dadurch finden die Jugendlichen uns natürlich auch, weil jeder kriegt gewisse Videos mal auf die Foryou-Page gespielt. Und gerade wenn Jugendliche sich häufig mit so Themen beschäftigen aus unserer Beratung, dann finden sie uns, weil dann der Algorithmus natürlich auch...
[00:12:20.830] - Nadia Kailouli
Euch da reinspielt. Jetzt kann ich mir vorstellen, dass das ja eigentlich total gut ist, für die Eltern zum Beispiel, die uns jetzt zuhören, ihren Kindern von euch zu erzählen zu sagen: „Ey, egal was ist, du musst nicht alles mir erzählen, wenn du nicht willst, aber erzähle es wenigstens Juuuport, weil die sind anonym. Da kannst du dir alles erklären lassen, Hilfe holen et cetera." Ist das auch ein Weg, den ihr geht, dass ihr zum Beispiel an die Eltern rangeht, an die Schulen, an die Lehrerinnen und Lehrer rangeht und sagt: „Können Sie uns bitte mal in Ihrer Schulklasse vertreten und von uns erzählen?"
[00:12:51.890] - Ayla Emma Askin
Wir hatten eine Zeit lang Onlineseminare in Schulklassen. Da sind wir an Schulklassen gegangen, haben zu verschiedenen Themen Onlineseminare gehalten. Und jetzt seit einiger Zeit haben wir diese Onlineseminare speziell für Förderschulen, wodurch natürlich auch junge Leute von uns erfahren. Wir sind auch bei verschiedenen Veranstaltungen vertreten, aber zum Beispiel gibt es auch Lehrkräfte oder Schulen, die uns konkret anschreiben für einen Vortrag zu gewissen Themen. Also zum Beispiel hatte ich vor einiger Zeit einen Vortrag gehalten an einer Schule und da hat zum Beispiel die Lehrkraft uns angeschrieben, ob wir nicht einen Vortrag halten können.
[00:13:33.090] - Nadia Kailouli
Und die Reaktion ist die dann schambehaftet oder nimmt man euch sehr gerne an, weil ihr jung seid und weil ihr selber im Netz unterwegs seid, besser verstehen könnt, worüber die Kinder und Jugendlichen da sprechen, während dann andere Anlaufstellen vielleicht auch ein bisschen alteingesessen sind, ja, da ist dann eher vielleicht mal eine Frau, die 56 ist, also keine Altersdiskriminierung hier oder so, aber da ist die Hürde vielleicht größer, sich da anzuvertrauen als euch?
[00:14:00.130] - Ayla Emma Askin
Das können wir tatsächlich immer nicht genau sagen, weil wir natürlich auch nie wissen, wie alt die Jugendlichen wirklich sind. Aber ich denke mal schon, dass es für viele Jugendliche, die sich bei uns melden, so ein bisschen die Hemmungen nimmt, sich bei uns zu melden, wenn sie wissen, okay, auf der anderen Seite sitzen andere Jugendliche, vielleicht sogar in meinem Alter, die mir antworten. Und wenn sie sich dann bei uns melden, merken sie auch, dass wir da überhaupt nicht irgendwie verurteilend sind oder so. Genau, und dass wir uns manchmal auch deutlich besser auskennen als manche Erwachsene mit bestimmten Themen, einfach weil zum Beispiel unsere Ehrenamtlichen sich in den gleichen Medien aufhalten wie die Jugendlichen selbst. Und wir haben ja auch zum Beispiel Ehrenamtliche, die vielleicht Selbsterfahrungen mit gewissen Themen gemacht haben. Genau.
[00:14:46.650] - Nadia Kailouli
Jetzt sind Themen wie Cybergrooming oder Cybermobbing schon in der Mitte der Gesellschaft, finde ich, so angekommen. Das hat man schon mal gehört. Darüber haben wir Ältere auch schon mal gesprochen. Auch hier bei einbiszwei haben wir über das Thema Cybergrooming schon mal gesprochen. Worüber wir noch nicht so wirklich gesprochen haben und vielleicht kannst du uns das mal erklären, ist Sextortion. Was ist das genau?
[00:15:08.080] - Ayla Emma Askin
Ja, also Sextortion ist ein Thema, das ist jetzt auch in den letzten Monaten beziehungsweise im letzten Jahr so richtig ins Kommen gekommen. Sextortion ist im Prinzip die Erpressung von Menschen mit intimen Bildern oder Videos. Das findet ganz häufig so statt, dass dahinter nicht mal irgendwie Privatpersonen sitzen, die sich denken: „Ich habe jetzt jemanden im Internet kennengelernt, erpresse ich die mal." Ganz häufig sind es so Banden, die häufig auch im Ausland sitzen und das wirklich sehr systematisch machen. Es ist dann häufig so, dass zum Beispiel auf einer Dating-App man jemanden kennenlernt. Die Person wirkt total nett und so, man schreibt mit der Person und irgendwann kommt es dazu, dass man sich zu einem Video-Chat, zum Beispiel, bei Skype verabredet. Und dann im Rahmen dieses Video-Chats kommt man sich vielleicht näher, erzählt sehr viel und irgendwann kommt dann das Thema auf: „Ja, lass uns doch mal im Video-Chat uns ausziehen, so bisschen sexting." Genau. Und dann merken die Betroffenen nicht, dass nebenbei, zum Beispiel, eine Bildschirmaufnahme gestartet wird und das ganze Videotelefon aufgenommen wird. Und dann haben die Erpresser:innen natürlich dieses Video von der Person und häufig auch noch andere Kontakte. Gerade wenn die Kontaktaufnahme über Instagram erfolgt, sehen sie ja häufig so die Follower von der Person. Dann nach diesem Video-Chat ist es auch ganz häufig so, dass im Video-Chat so ein Video von einer anderen Person abgespielt wird, damit die betroffene Person sich in Sicherheit sieht, dass da die Person auch eine ganz normale Person ist. Und dann nach diesem Video-Chat kommt die Erpressung. Und das sind wirklich Summen von bis. Also manchmal sind es nur 1.000 Euro, manchmal sind es bis zu 25.000 Euro, manchmal in Dollar, manchmal in Bitcoin. Das ist total verschieden, was da an Summen genannt werden. Und ganz häufig steht auch keine sexuelle Motivation hinter dem Ganzen. Sondern dieses Erpresserische, dieses Geld-bekommen. Und das ist ganz häufig auch die Täter:innen zu fassen, einfach weil die häufig im Ausland sitzen. Es gibt aber noch eine andere Form vom Sextortion und das ist häufig auch die die mit Cybergrooming einhergeht oder mit Cyber-Mobbing. Und zwar, das ist der Fall, wenn Kinder oder Jugendliche jemanden im Internet kennenlernen, ganz klassisch, und dann irgendwann intime Bilder oder Videos von sich verschicken und dann die Person droht, die Videos zu veröffentlichen, wenn sich die Person nicht mit der anderen Person trifft oder aber auch Geld zahlt. Und da ist es dann häufig so, dass es auch wirklich Leute aus dem Umfeld sind oder im Fall von Cybergrooming, Erwachsene, die halt an weitere sexuelle Handlungen kommen wollen.
[00:18:04.060] - Nadia Kailouli
Ich bin jetzt total baff. Kannst du dir das vorstellen? Also ich bin so baff, weil ich habe davon wirklich noch nichts gehört, vor allem von dieser kriminellen Machenschaft, die dahinter steckt. Und ich finde es super, dass du uns jetzt hier damit so aufgeklärt hast und da auch noch mal eine Sensibilität geschaffen hast, hoffentlich, dass dahinter eben kriminelle Banden stecken können und man einfach weiterhin wahnsinnig vorsichtig sein muss vor dem, wie man sich im Internet verhält. Ich will nicht sagen, dass die Betroffenen dann Schuld daran haben – auf gar keinen Fall. Schuld hat immer der Täter oder die Täterin –, aber dass wir da ein bisschen sensibilisiert sind. Puh, also jetzt dachte ich echt so... Ich habe richtig … Also wirklich. Ich frage mich gerade: Wo haben die denn dann die Kohle her?
[00:18:49.360] - Ayla Emma Askin
Ja, das ist total verschieden. Manche… Also ich habe auch schon, als ich beim Nationalen Rat war, gab es eine Vertreterin in dem Panel, wo auch ich mit teil war, war ja eine Vertreterin von der Forensik-IT mit dabei. Und die hat zum Beispiel von einem Fall erzählt, wo dann ein Jugendlicher auch dieses Geld irgendwie herkriegen müsste und das ist dann bei ihm tatsächlich im Suizid geendet. Und ganz häufig ist es auch so, dass zwischen der Kontaktaufnahme und der späteren Erpressung wirklich teilweise nur so ein Tag liegt. Also es ist ganz häufig nicht mal so, dass es über mehrere Wochen läuft bei diesen typischen Sextortion, sondern wirklich, dass es super schnell geht und teilweise auch diese Frist so: "Ja, jetzt schickst du mir die 25.000 Euro bis, keine Ahnung, heute Nacht, Mitternacht", und es ist 18 Uhr. Und das löst halt einfach bei den Betroffenen einen super großen Druck aus. Und man muss dazu sagen, dass es halt nicht nur Kinder und Jugendliche betrifft dieses Sextortion. Das betrifft auch Erwachsene. Also es kann wirklich, jeder kann Sextortion erleben. Man muss einfach nur mit der falschen Person schreiben.
[00:19:56.580] - Nadia Kailouli
Und hast du selber auch schon Betroffene gehabt, die bei die ihr Rat gefragt haben, weil sie Opfer von Sextortion geworden sind?
[00:20:04.160] - Ayla Emma Askin
Sehr häufig, ja. Also wir haben sehr oft Anfragen zu dem Thema jetzt in der letzten Zeit. Die Anfragen zu Sextortion nehmen sehr krass zu. Also wir haben- Also als ich angefangen habe bei Juuuport, wie gesagt, war der Großteil der Anfragen wirklich Cybermobbing und immer mal wieder so diese typischen Sextingfragen, wie: „Ja, ich habe mit meinem Freund Bilder ausgetauscht, jetzt haben wir uns getrennt und er will die Bilder nicht löschen." Diese Anfragen waren, als ich angefangen habe, relativ typisch. Und heute sind sehr viele Anfragen wirklich dieses Sextortion, so: „Ja, ich habe intime Bilder verschickt und jetzt werde ich damit erpresst." Da kriegen wir nicht nur eine Anfrage, sondern mehrere.
[00:20:42.520] - Nadia Kailouli
Dann wird das einem noch mal deutlicher, warum es gut ist, dass Menschen wie du, also du und deine Kolleginnen und Kollegen, ob jung, ob alt, da sitzen und sich dem annehmen und da versuchen, so gut es geht, Hilfe zu leisten. Ayla, wir verlinken Juuuport e.V. auf jeden Fall hier unter diesem Podcast in den Shownotes. Juuuport übrigens nicht das englische "You" für "du", sondern "Juuu" mit J und drei U. Vielleicht erklärst du noch mal, wie es dazu kam, weil das hat mich selbst tatsächlich auch ein bisschen irritiert.
[00:21:12.090] - Ayla Emma Askin
Diese Frage, die finde ich immer so toll. Also Juuuport gibt es ja schon seit 2010, glaube ich. Also wirklich schon lange. Und ich weiß noch, ich werde sehr oft bei irgendwelchen Veranstaltungen gefragt, wie es zu diesem Namen gekommen ist. Und mir wurde das mal gesagt, dass ich Juuuport" so bisschen aus zwei Wörtern zusammensetzt. Zumal ein das Wort „you" und das Wort „Port". Und „port" bedeutet ja auf Englisch Hafen und „you", dein. Und das ist sozusagen so eine Art Wortzusammensetzung: „dein Hafen", „your Port", so: Dein sicherer Hafen, wo du Hilfe bekommst, weil ein Hafen ist ja häufig so ein Symbol für einen sicheren Ort. Und diese drei Us, wie die, also warum der Name jetzt so ist, ich weiß es nicht genau, aber ich glaube, das wurde mir mal gesagt, so ein bisschen ist, so ein Alleinstellungsmerkmal zu sein, dass der Name ein bisschen spannender klingt.
[00:22:06.930] - Nadia Kailouli
Alles klar. Wir werden uns den Namen auf jeden Fall merken und ihn, wie gesagt, verlinken. Ayla, vielen, vielen Dank, dass du heute unser Gast warst bei einbiszwei und uns hier wirklich gut aufgeklärt hast und hoffentlich vielen Mut gemacht hast, dass, wenn denen so etwas passiert, ob Cybergrooming, Cyber-Mobbing oder Sextortion, dass man sich jederzeit auch bei euch hinwenden kann. Vielen, vielen Dank.
[00:22:28.870] - Ayla Emma Askin
Ja, vielen Dank, dass dass ich da sein durfte und dass es geklappt hat, obwohl wir uns nicht in der gleichen Stadt befinden.
[00:22:34.440] - Nadia Kailouli
Genau, das macht nichts. Die Technik macht es möglich.
[00:22:37.040] - Ayla Emma Askin
Genau.
[00:22:40.840] - Nadia Kailouli
Ja, also jetzt gebe ich einfach mal einen Shoutout raus an alle die in Kontakt mit Kindern und Jugendlichen sind: Erzählt von Juuuport. Ich habe nämlich gerade gesehen, auf Instagram haben sie circa 5.000 Follower. Das kann mehr werden, denn ja, es ist einfach so: Kinder und Jugendliche sprechen eben gerne mit Gleichaltrigen über das, was ihnen passiert ist, damit sie gefühlt keine Scham davor haben müssen. Also Juuuport gerne teilen. Wir verlinken das hier in den Shownotes. Eine gute Anlaufstelle, sich davor zu schützen und Rat zu suchen, wenn man sexualisierte Gewalt im Netz erlebt.
[00:23:16.830] - Nadia Kailouli
An dieser Stelle möchte ich mich auch ganz herzlich mal bei euch bedanken, dass ihr uns so treu zuhört und dass ihr auch bei schwierigen Themen dranbleibt. Wenn ihr wollt, dann folgt uns doch gerne, abonniert unseren Kanal und wenn ihr uns persönlich einmal schreiben wollt, dann könnt ihr das natürlich sehr gerne tun. Eine E-Mail könnt ihr einfach schreiben an: presse@ubskm.bund.de.
Mehr Infos zur Folge
Wenn Kinder und Jugendliche im Internet gemobbt, mit Nacktbildern erpresst oder in Online-Spielen angemacht werden, scheuen sie oft davor zurück, sich an ihre Eltern oder an Lehrkräfte zu wenden. Das ist zu peinlich und, so ein gängiges Vorurteil: Die hören eh nicht richtig zu. Viel einfacher ist es, unangenehme Erfahrungen mit Gleichaltrigen zu besprechen. Dieses sogenannte „Peer-to-Peer”-Prinzip, also „Gespräch unter Gleichberechtigten”, macht sich der Verein JUUUPORT zunutze.
Bei JUUUPORT werden Jugendliche beraten, wenn sie sexuelle Gewalt im Internet erleben. Wenn sie bei JUUUPORT anrufen oder chatten, sprechen sie nicht mit Erwachsenen, sondern mit anderen Jugendlichen, den sogenannten „Scouts“. Seit über einem Jahrzehnt stehen diese Scouts jungen Menschen bei allen Problemen im Netz zur Seite. Die Themen reichen von Cybermobbing über Abzocke bis hin zu Cybergrooming und Sextortion – also der Erpressung mit intimen Fotos.
Ayla Emma Askin hat sich von Anfang an intensiv mit Fällen sexualisierter Gewalt beschäftigt und hält heute auch Vorträge zum Thema. Zu Beginn ihrer Tätigkeit war Cybermobbing noch eins der Hauptanliegen der Hilfesuchenden, heute rücken Cybergrooming und Sextortion immer mehr in den Fokus. Bei einbiszwei berichtet sie, was Jugendliche im Internet erleben und wie geholfen werden kann.
LINKSAMMLUNG:
Website von JUUUPORT
Zur Website
JUUUPORT bei Instagram
Zu Instagram
JUUUPORT bei YouTube
Zu YouTube
Beitrag „Sextortion: Erpressung mit Nacktbildern”
Zum Beitrag auf der JUUUPORT-Website
Beitrag „Der Kampf gegen Erpressung mit Nacktbildern” bei ZDF heute
Zur ZDF-Website