Berlin/Greifswald, 26.02.2025. Wie können Kinder und Jugendliche besser vor digitaler sexualisierter Gewalt geschützt werden? Welche präventiven Maßnahmen braucht es in Schule und Gesellschaft? Und welche Verantwortung tragen Plattformbetreiber? Diese und weitere Fragen standen an der Universität Greifswald bei der heutigen Fachtagung „Sexuelle Übergriffe im digitalen Raum – junge Menschen stark machen!“ im Mittelpunkt. Ausrichter des Fachtags waren das Ministerium für Bildung und Kindertagesförderung sowie das Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung Mecklenburg-Vorpommern, der Landesrat für Kriminalitätsvorbeugung und die Universität Greifswald. Mit rund 350 Teilnehmenden aus Bildungswesen, Jugendhilfe, Fachberatung, Strafverfolgung und Zivilgesellschaft setzte die Veranstaltung wegweisende Impulse für den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Netz.
Die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), Kerstin Claus eröffnete die Tagung gemeinsam mit Simone Oldenburg, Ministerin für Bildung und Kindertagesförderung Mecklenburg-Vorpommern, sowie Christian Pegel, Minister für Inneres, Bau und Digitalisierung Mecklenburg-Vorpommern. „Kinder und Jugendliche bewegen sich selbstverständlich zwischen digitaler und analoger Welt – Täterstrategien passen sich an,“ erklärte Claus während des Podiumsgesprächs zum Auftakt der Tagung. „Wenn Grooming im Netz beginnt und in realen Übergriffen endet oder Missbrauchsdarstellungen online verbreitet werden, müssen unsere Schutzmaßnahmen Schritt halten.“
Anders als im analogen Raum, wo Täter und Täterinnen häufig aus dem sozialen Umfeld kämen, würden im digitalen Raum oft Unbekannte die Anonymität des Internets nutzen, um sich das Vertrauen von Kindern und Jugendlichen zu erschleichen. Problematisch sei zudem der Einsatz von künstlicher Intelligenz, die es ermögliche, Missbrauchsdarstellungen aus Profilbildern zu generieren und zur Erpressung zu nutzen. Gleichzeitig werde oft unterschätzt, wie leicht Kinder und Jugendliche über soziale Netzwerke oder Online-Spiele mit sexualisierten Inhalten oder gezielten Ansprachen konfrontiert würden.
Um die Dimension des Problems zu unterstreichen, wies Claus auf alarmierende Studien hin: Jede:r dritte Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren hat im vergangenen Jahr sexuelle Gewalt im Netz erfahren. Ein Viertel aller Kinder und Jugendlichen zwischen 8 und 17 Jahren war 2024 bereits von Cybergrooming in sozialen Netzwerken oder Online-Spielen betroffen. Ebenso viele Jugendliche berichten von ungewolltem Kontakt mit pornografischen Inhalten. „Diese Zahlen machen deutlich, dass es sich um ein Massenphänomen handelt, dem wir mit vereinten Kräften begegnen müssen. Wir brauchen bessere Aufklärung und stärkere Regulierung,“ betonte Claus.
Besonders forderte sie die Plattformbetreiber in die Pflicht zu nehmen: Sichere Voreinstellungen, wirksame Altersverifikationen und verpflichtende Meldeverfahren für Missbrauchsdarstellungen müssten endlich konsequent umgesetzt werden. Der Digital Services Act biete hierfür eine gesetzliche Grundlage, die nun in der Praxis greifen müsse. Die Missbrauchsbeauftragte setzt sich auf europäischer Ebene bereits dafür ein, dass Online-Anbieter künftig verpflichtet werden, aktiv nach Missbrauchsdarstellungen zu suchen und diese an Strafverfolgungsbehörden zu melden: „Nur in der Zusammenarbeit zwischen EU, Bund und Ländern können wir digitale sexualisierte Gewalt wirksam bekämpfen."
Zugleich betonte sie die Bedeutung der Aufarbeitung, Sensibilisierung und Wissensvermittlung: „Das Internet existiert seit den 90er-Jahren – und mit ihm ganze Generationen Betroffener digitaler sexualisierter Gewalt. Von ihren Erfahrungen können wir lernen, um wirksame Schutzmaßnahmen zu entwickeln und eine kluge Politik zu gestalten. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass wir diskutieren, wie die Vermittlung von Wissen und Kompetenzen zu digitaler sexualisierter Gewalt flächendeckend in den Bundesländern gelingen kann."
Genau hier setzte die Tagung im weiteren Verlauf an: Sie stellte den Wissenstransfer in den Mittelpunkt und bot praxisnahe Impulse für mehr Handlungssicherheit. In Fachvorträgen von Expertinnen wie der Diplom-Psychologin Julia von Weiler, Vorständin von Innocence in Danger, und der Rechtsanwältin Gesa Gräfin von Schwerin ging es unter anderem um sexuelle Gewalt unter Jugendlichen, rechtliche Rahmenbedingungen und mögliche Schutzmaßnahmen. Anschließende Workshops für Lehrkräfte und Interessierte ermöglichten es den Teilnehmenden, konkrete Präventionsansätze und Handlungsstrategien gegen digitale sexualisierte Gewalt kennenzulernen. Die Tagung machte eindrucksvoll deutlich: Der Schutz junger Menschen in der digitalen Welt kann nur durch ein vernetztes Vorgehen aller Beteiligten gelingen.
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